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310-719 ein Wagen der Oderbruchbahn

Am 17. August 1990 wurde mit dem Ministerium für Abrüstung und Verteidigung in der noch bestehenden DDR ein Kaufvertrag über den Wagen 310-719 abgeschlossen. Der Wagen hat eine wechselvolle Geschichte erlebt, die bei der Oderbruchbahn beginnt. Diese wurde am 3. Juni 1911 mit dem Streckenstück Fürstenwalde - Müncheberg eröffnet. Ab Juni 1912 war die Strecke dann durchgehend bis nach Wriezen befahrbar. Unser heutiger Wagen 9 gehörte zur Erstausstattung der Bahn und lief dort als "Wagen Ci Nr. 11". Er wurde im Jahr 1911 bei der damaligen Aktiengesellschaft für Eisenbahnbedarf in Görlitz gebaut. Die Wagen der Oderbruchbahn stellten für ihre Zeit einen recht modernen Stand dar. So wurde auf die unkomfortable 4. Klasse verzichtet, die hellen Fahrgasträume erhielten ein einheitliches seitliches Fensterband und bequeme körpergerecht geformte Holzlattensitze. Anstelle der auf Nebenbahnen häufig üblichen Ofenheizung erhielt der Wagen eine Dampfheizung. Mit Hinblick auf die einfachen Infrastrukturen der Unterhaltung hatten die Wagen jedoch Petroleumbeleuchtung anstelle der häufig schon eingeführten Preßgasbeleuchtung. Die für preußische Kleinbahnen recht geringe Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h ließ den Einbau der rein mechanischen Görlitzer Gewichtsbremse anstelle der sonst auch für Nebenbahnwagen schon üblichen Druckluftbremse zu. Im Jahre 1937 erhielt der Wagen dann bei einer ersten Modernisierung die heute noch vorhandene einlösige Westinghouse-Bremse. Vermutlich im Jahre 1946 erhielt der Wagen die Nummer 3088 der Landesverkehrsdirektion Brandenburg-Berlin (LEBB).

Im Zuge der Verstaatlichung von Privatbahnen in der DDR 1949 gelangte der Wagen in den Bestand der Deutschen Reichsbahn. Fortan war er mit der Nummer 98 709 unterwegs. 1956 wurde er im Raw Gotha einer Generalreparatur unterzogen. Das Werk verließ er als 2.-Klasse-Wagen. Modernisierungen am Fahrwerk und an den Zug- und Stoßeinrichtungen ließen eine Höchstgeschwindigkeit von nunmehr 90 km/h zu. Zusätzlich erhielt der Wagen in diesem Zusammenhang eine elektrische Beleuchtungsanlage sowie ein Abort. Ab 1958 trug er die Nummer 310-719. Seinen Betriebsdienst versah er zum Schluss vom Heimatbahnhof Saalfeld aus. Am 4. Januar 1972 erfolgte seine Ausmusterung und die Abgabe an die Nationale Volksarmee der DDR. Über seinen Militärdienst bei der NVA in Strausberg ist leider nichts bekannt.

In den Jahren nach dem Erwerb wurde der Wagenkasten bereits äußerlich aufgearbeitet. 1995 begannen erste Arbeiten im Wageninneren, jedoch fehlten für die Fertigung der Wageneinrichtung noch Unterlagen. Mit dem Umzug von Berlin-Reinickendorf nach Basdorf endeten die Arbeiten. Das Projekt wurde aber nicht aufgegeben und so sammelten sich doch etliche brauchbare Teile und auch entsprechende Zeichnungen an.

Als "Nebenbei"-Projekt wird seit geraumer Zeit das Wageninnere fertig gestellt. Als erste Maßnahme wurde die schon zu Zeiten seines NVA-Dienstes unsachgemäß entfernte Trennwand wieder hergestellt. Um die verbliebenen Reste demontieren zu können mußte der Wagenkasten verspannt werden. Nach dem Einbau der Abteiltrennwand konnte die Verspannung gelöst werden. Die provisorisch eingesetzten Spannschrauben sichern derzeit noch den Oberlichtaufsatz.

    

    

    

Nach seiner Fertigstellung soll sich der Wagen wieder im Zustand nach der Generalreparatur im Jahre 1956 befinden. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Etliche Schichten verschiedener Lack- und Dispersionsfarben müssen noch von den sehr gut erhaltenen Wandverkleidungen entfernt werden. Einige Ausstattungsteile, wie z.B. die Deckenlampen, müssen noch rekonstruiert werden.

    

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